Ich liebe das 40-Werden.
Es ist großartig.
Noch großartiger wird es, wenn ich länger darüber nachdenke,
was sich in mir so alles verändert hat.
Ja, es gibt auch ein paar äußere Veränderungen aber nichts,
was man nicht mit Kosmetik und ein paar speziellen Posen auf Fotos behandeln
könnte.
Wie ich schon schrieb, kennt man nun endlich den Unterschied
zwischen Realität und Theorie.
Eine Diät zu machen ist eine theoretische Sache und genau so
sinnvoll und wirksam wie einem Mann erklären zu wollen, wie sich Geburtswehen
anfühlen.
Das ist mir nun endlich klar geworden, und zwar, als ich
meinen Kleiderschrank ausmistete. Die Sachen aus den 80ern, den 90er und der frühen
Neuzeit.
Ja, ich bin eine Sammlerin und Aufbewahrerin. Ich liebe es.
Manches werde ich ganz sicher nie wieder anziehen.
Das weiß ich, aber ich hänge dran, wie andere an ihrem
Brautkleid. Das habe ich übrigens nicht aufbewahrt. Weder das von der Ersten
noch das von der Zweiten komisch nicht?
Es ist nur die Erinnerung an einen Tag. Meine übrige
Garderobe erzählt Geschichten von vielen Tagen.
Ich habe trotzdem mal ausgemistet. Ich
brauchte Platz für neue Geschichten. Bei manchen mag das so klingen:
„Da passe
ich heutzutage gar nicht mehr rein.“
Das kann ich nicht sagen. Bei mir war es im Grunde immer
gleich.
Ich trug die meiste Zeit meines Lebens eine 42. Verrückt
oder???
Klar ist auch mal ein Kleidchen in einer 36 dabei. Das hatte
ich an, nachdem ich mich drei Monate wie eine Irre runtergehungert hatte. Für
ein spezielles Event und nun kann man sich die Fotos von mir in dem schlanken
Kleid nicht mal ansehen und warum?
Weil ich Augenringe und stumpfes Haar hatte
und fürchterlich krank aussah.
Nachdem der vierte Betrachter dieses Fotos meinte: „Oh da
hast du dich aber schwer krank zum Event geschleppt. Respekt!“, habe ich es aus meiner
Fotokiste entfernt.
Ich habe also mit fast 40 endlich festgestellt:
Ich trug immer eine 42 – bis auf
wenige Ausnahmen.
Die Praxis scheint dann ja wohl wohl folgende zu sein:
Du kannst machen, was
du willst. Wenn deine Genetik eine 42 für dich vorgesehen hat, dann bleibt es
dabei.
Es sei denn, du hast Zeit und liebst es, dich selbst zu quälen. Dann
kannst du nämlich jeden Tag ins Fitnessstudio rennen und dich bei 800 Kalorien
täglich ernähren und so deine 36 halten.
Ich habe dazu weder die Zeit noch die Lust. Offenbar seit Jahren.
Denn selbst mein Kleid, welches ich zum 30. trug, ist eine 42.
Neu in der 40er-Version ist daran: Ich liebe es. Ich mag meinen
Körper jetzt.
Ich kneife ihn jetzt nicht mehr und ziehe ihm das Fell lang, um
dem Spiegel zu beweisen, dass ich nicht vollkommen bin.
Ich disse mich jetzt auch nicht mehr vor dem Spiegel und
mache abfällige Bemerkungen. Ich bin mir selbst mehr Freundin geworden.
Einer
Freundin würde man solch verletzende Dinge, wie:
„Du schlaffe, fette Molle“ niemals sagen.
Ich habe mich nicht nur damit abgefunden, auf kein Titelbild
eines Hochglanzmagazins zu passen. Nein, ich finde es sogar gut.
Ich habe ja eh
die Theorie, dass die Models nur deshalb alle so dürr sind, damit sie vorne auf
den Titel passen und nebendran noch genug Platz ist für die Themen und damit
die Designer für ihre Ausstellungstücke weniger Stoff brauchen.
Wenn einer mich nicht gut findet, dann ist es sein Problem
und was das Hochglanzmagazin angeht, dann nehme ich halt die zwei Seiten im
Mittelteil. Da ist Platz für mich in voller Größe und eine kleine Kolumne.
Kann mir aber jetzt bitte mal jemand erklären, warum ich
mich all die Jahre so blöde angestellt habe? Wertvolle Lebenszeit damit
vergeudete, mich mit Nahrungsentzug zu bestrafen?
Mir irgendwelche widerlichen Pülverchen anzumixen und diese
auch noch zu konsumieren?
Bestialische Kapseln zu schlucken, die Schwämme
beinhalten und sich im Magen aufspannen, damit man keinen Hunger mehr hat oder
10 Liter Kohlsuppe in einer Woche zu vertilgen und weitere zwei Wochen nicht
vor die Türe zu können, weil man neben den Heißhungerattacken, die sich automatisch
anschließen, auch noch unter Flatulenz leidet?
Wofür der ganze Mist? Wenn ich offensichtlich immer eine 42
trug?
Aber jetzt mit 40 wird das alles anders.
Ich habe den Diäten
„Ade“ gesagt.
So etwas tue ich mir nicht mehr an, solange nicht irgendein Arzt
der Meinung ist, mein Körper leidet unter mir.
Ich genieße mein Dasein, und zwar in vollen Zügen. Mit allen
Kurven und bin mir selbst mehr als genug. Klar gehe ich zum Sport aber nur,
damit ich fit genug bin, alle denen in den Hintern zu treten, die glauben, mich
in eine Schublade oder in eine 36 drängen zu können.
Wenn ich etwas jetzt, kurz vor der 40 bereue, dann die Kleider,
die ich nicht gekauft habe, weil ich erst abnehmen wollte und die schönsten Buffets,
die ich nicht angerührt habe, weil ich mal wieder nur 1200 Kalorien am Tag oder
wahlweise 20 Punkte zur Verfügung hatte.
Wie dusselig, sich wegen einer Theorie, die Praxis zu
versauen.
Egal was ihr in eurem Leben macht oder wie alt ihr seid– macht auf keinen Fall das Gleiche.
Lernt von einer weisen Frau mit fast 40.
Eure
Michaela Röder
(Buchautorin, Beziehungscoach, 39, verliebt ist ins Frausein
und zum Glück senil genug, dass sie schon vergessen hat, was Kalorien noch mal waren … ach ja, die kleinen Biester, die nachts die Kleider enger nähen.)
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