Hallo liebe Gärtnerinnen und Dachterrassenbesitzerinnen
Sie werden in diesem Jahr 40 oder sind es grade geworden.
Die gute Nachricht: Sie leben noch, und zwar gut, und zwar
glücklich.
Die Schlechte: Keine von ihnen war bisher festgebunden,
hatten Kinder, geschweige denn einen eigenen Garten.
Sie erzählten mir, dass jetzt, wo sie 40 werden, in ihnen
der Wunsch nach Stabilität und Ruhe entstünde. Familie, Kinder, Kamin und
Garten.
Ich kam mir mal wieder vor wie ein Alien auf der Erde.
Wie der einzige Alien auf dieser Erde, um genau zu sein.
Dummerweise habe ich mich so aber schon immer gefühlt, denn
irgendwie habe ich mein Leben andersherum gelebt. Scheint mir.
Mit 20 war ich bereits Mutter, demzufolge hatte ich irgendwann
Familie und einen eigenen Garten. Immer wenn ich zu Spielplatz, Kindergarten
oder Schule kam, war ich scheinbar die Einzige, die sich nicht hauptberuflich,
mit wachsender Begeisterung über Kuchenrezepte und Stuhlgänge der Kinder
ereifern konnte.
Es war mir auch nicht so wichtig, ob mein Sohn im Alter von
zwei Jahren, alle meine Entchen auf dem Klimper-Keyboard von Fisherprice
nachklimpern konnte. Er war gut so, wie er war und ich versuchte neben Kind und
Job, noch ein Studium hinzubekommen.
Ich saß in meinem Garten und wälzte Ordner mit Kind auf dem
Schoß. Während Menschen in meiner Altersklasse coole Partys auf ihrer Dachterrasse
in der City feierten.
Nun, wo ich endlich glaubte, dazuzugehören, mich gedanklich
und real der Dachterrasse nähere … da wollen meine Altersgenossen auf einmal
einen Garten?
Sie sehnen sich nach Blumenerde unter den Nägeln?
Solche Sätze mag ich seit neustem nicht mehr.
Ich höre immer nur: unter-
Erde-Blumen
Nein Danke!!!
Ich sehne mich auf jeden Fall nicht nach Blumenerde oder
Kinderfüßen im Matsch.
Ich sehne mich nach sauberen, frisch manikürten Nägeln und einer gemütlichen Dachterrasse über den Dächern der Stadt und einem
gemütlichen Telefonat mit meinem großen Kind, kurz, bevor ich aufbreche,
um die Stadt unsicher zu machen.
Was aber ist bei mir eigentlich schief gelaufen?
Habe ich mein Leben verkehrt herum gelebt? Warum fühlt es
sich aus meiner Sicht dann richtig herum an?
Wahrscheinlich liegt es doch daran, dass es dieses Standardleben
irgendwie gar nicht gibt.
Jeder tut womöglich das, was für ihn richtig ist und am Ende
kommt dann entweder ein Garten heraus oder eine Dachterrasse.
Der ewige Kreis:
Eine Dachterrasse muss frei werden, damit eine
Neuvierzigerin weiter existieren kann, sich zurücklehnt mit einem Smoothie in
der Hand, an die vergangen Zeiten der Matschfüße erinnern kann, die sich selten
nur im Garten ausgetobt haben.
Diese Dachterrasse hat viele Geschichten zu erzählen von
vollgekotzten Blumenkübeln und der Unwissenheit über die teuflische Wirkung von
alkoholischen Mixgetränken und wahrscheinlich Liebesdamen ohne Ende. Von
Träumen und Wünschen an die Zukunft. Von coolen Partys und bestandenen
Abschlüssen.
Eine andere Neuvierzigerin hingegen braucht den überflüssig
gewordenen Garten, der viele Geschichten erzählt, von aus Versehen doch
gegessenen Sandküchlein, Kindertränchen nach Schaukelunfällen, krampfhaft
runtergekippten Rotweinen im Zuge der wichtigen Partnerschaftszeit,
Kürbisschnitzen und Eierfärben. Gipsmasken basteln und Poolpartys.
Bei der Schlüsselübergabe von Vierzigerin an Vierzigerin
kann man, wenn man ganz leise ist, auf beiden Seiten vergangenes Lachen hören
und übermütiges Kreischen.
Von kleinen Kindern und großen Kindern,
die ihre unbändige Lebensfreude nicht in sich behalten können.
Bald ist es auch bei mir soweit: Ich tausche Leben – gegen Leben.
Bis dahin streife ich aber einfach noch ein bisschen durch die Welten und freue mich
auf meine Party.
Bis zur nächsten Woche
Eure
Michaela Röder
(Buchautorin, Beziehungscoach, 39, noch Garteninhaberin und
Wanderin zwischen den Welten)
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