Ich bin mal wieder unterwegs. Mal sehen, ob ihr erraten
könnt, wo ich diesmal gewesen bin.
Es gibt ein Land, da ist man in der einen Minute noch in Chinatown,
in zehn Minuten kann man Mexico City erreichen und fünf Minuten später betritt
man Afrika. In diesem Land verwandeln sich Männer regelmäßig zurück in einen
Jungen.
Na? Wo bin ich? Genau: im Phantasialand.
Ein Freizeitpark. Ich erwarte mir nicht viel in Richtung
Beobachtungen, was Männer, Frauen und die Liebe betrifft.
Die meisten sind mit ihren Kindern hier und rasen von einer
Attraktion zur nächsten.
Wir sind mit einer Gruppe da. Die Kinder und Männer freuen
sich auf "Höher, Schneller, Weiter". Die Frauen auf Kaffee, die
Lichtshow am Wellenflug und das Lichtermeer mit Feuerwerk am Abend.
Den ganzen Tag läuft auch alles glatt. Mein Mann und ich
verstehen und erstaunlich gut. Sonst ist die Stimmung im Freizeitpark immer
eher, nennen wir es: unentspannt. Ich warte sozusagen schon, wann das innere
Kind meines Mannes die Macht übernimmt und meine Nerven strapazieren wird.
Ja, das passiert auch einem Beziehungscoach. Man kann
gewisse Dinge eben doch nicht ändern.
Ich lasse mich sogar zu einer Mäusejagd hinreißen. Eine
tolle Attraktion. Man setzt sich schiefe 3D-Brillen auf und dann geht’s los. Ein
Waggon fährt vor riesige Video-Spielwände
und dann muss man gegen seinen Mitfahrer spielen.
Dazu wirft man aus riesigen Kanonen, mit virtuellen
Schokobällen Mäuse ab. Der Punktestand wird im Waggon angezeigt.
Ich gewinne haushoch. Mit 80.000 Punkten Vorsprung. Mein
Mann ist auf einmal still.
Die herzerfrischende Begeisterung ist einer gewissen
Nachdenklichkeit gewichen.
Ich glaube, das war der Moment, als er den Widerstand gegen
das innere Kind aufgab und sich übermannen ließ. Im gegenteiligen Sinne des
Wortes.
Es begann damit,dass er sich von der Idee unbedingt ins
4D-Kino zu gehen, nicht abbringen ließ. Obwohl wir die verrückten Lichter sehen
wollten.
Die verrückten Lichter sind eine tolle Sache. Zu einer merkwürdigen
Musik, wie man sie aus alten Hollywoodfilmen kennt, werden Häuser abwechselnd
angestrahlt. Das wirkt irgendwie unheimlich, ist aber schön.
Zum Glück ging das Kino nur 15 Minuten und wir waren früh
genug raus.
Dann hieß es warten auf das Feuerwerk.
Mein Mann wollte noch schnell, den Kindern zuliebe (versteht
sich von selbst), einmal auf die Achterbahn in Afrika.
Ich stand mit meinem Kaffee am verabredeten Platz und
wartete und wartete und wartete. Niemand kam.
Nicht zum Lichtermeer und nicht
zum Feuerwerk.
Denn irgendwo zwischen Alt-Berlin und Afrika hat die
Verwandlung stattgefunden, die immer in Freizeitparks mit Männern passiert.
Sie können nicht mehr an sich halten und verwandeln sich,
wie einst Hulk in ein Monster, in ein nimmersattes, nicht zu bremsendes Kind.
Aus einer Achterbahnfahrt waren unzählige Fahrten geworden.
Der sichtbare Schreck, der ihm durch die Glieder fuhr, als
ich ihn zum Parkschluss an der Achterbahn abholte, verwandelte ihn zurück in
den erwachsenen Mann, mit dem ich verheiratet bin.
Seine Erklärung: „Sorry, die Kinder wollten, und wollten
nicht aufhören.“
Ich habe nie etwas anderes angenommen.
Michaela Röder